Rundbrief Ende Febr 2013 Pfarrer Horst & Leni Gerber

Rev. Horst & Mrs. Leni Gerber Lutheran Church College Banz P O. Box 72, Mt. Hagen, WHP Papua New Guinea
Banz, 28.02.2013


Liebe Kinder und Enkel,
Freunde, Bekannte und Verwandte,
inzwischen läuft das Schuljahr hier tatsächlich auf vollen Touren. Das hatte lange Zeit überhaupt nicht danach ausgesehen. Während der Prinzipal, Pastor Joseph Benson, zuhause in Siassi in Ferien weilte, hatte Pastor James einen Anklagebrief an unsere Abteilung in der Kirchenleitung gerichtet und damit seine Amtsenthebung gefordert. Eine Reihe der Lehrkräfte und zwei Mitglieder des Aufsichtsrates des Colleges hatte er zur Unterschrift bewegt, um seiner Forderung Nachdruck zu verleihen. Die sollte bis Schulbeginn anfangs Februar vollzogen werden, sonst würden sie nicht zum Unterricht antreten. Ahnungslos wurde Ps. Benson nach seiner Rückkehr Ende Januar mit dieser Situation konfrontiert. Da unser Abteilungsleiter, Pastor Hans Giegere, am zweiten Februarwochenende zur Eröffnung des Unterrichtsbeginns am Pastorenseminar in Ogelbeng in unmittelbarer Nachbarschaft weilte, wurde er am Sonntag, 10. Februar zur Vermittlung hierhergebeten. Er stellte klar, dass es ordentliche Dienstwege auch in Neuguinea gäbe und eine solch angestrebte Revolution ohne offiziellen Beschluss des Aufsichtsrates des Colleges nicht zulässig sei. Da die Studierenden bereits in großer Zahl angereist seien,
erwarte er, dass der Unterricht ohne Verzögerung in der kommenden Woche beginne. Wer seine Tätigkeit nicht aufnehmen wolle, dem stehe es frei zu kündigen, womit natürlich seine Bezüge eingestellt werden müssten. Am Dienstag reiste der Chef wieder ab. Die Stimmung unter den hingehaltenen Studierenden wurde von Tag zu Tag angespannter. Bis zum Wochenende hatte die Mehrheit der Lehrkräfte sich bereit erklärt, den Unterricht am Montag aufzunehmen. Drei weigerten sich noch. Am Samstag bestätigte der Aufsichtsrat mit Mehrheitsbeschluss die Auffassung des Abteilungsleiters. Am Montag, 18. Februar sollte der Unterricht dann beginnen,
wurde dann doch noch auf Dienstag verschoben, weil die Unterrichtspläne noch nicht erstellt waren. Mit einem Notplan fingen wir dann tatsächlich an, auch die drei bisherigen Verweigerer. Seit dieser Woche folgen wir schon dem ordentlichen Unterrichtsplan. Was für ein Einstieg für alle Beteiligten? Da bleibt die Sinnfrage natürlich nicht aus!
Trotz aller Zweifel gehen unsere Pflichten weiter und sie machen dennoch Freude und schaffen weitgehende Zufriedenheit. Die Studierenden, vor allem die Neuen - es sind inzwischen 42 eingeschrieben sind voller Erwartungen und Eifer dabei. Leni ist sogar an zwei Abenden in der Woche ausgebucht. Ich bin mit Materialbeschaffung und -Zubereitung für den Kapellenausbau zusätzlich gefordert. Gerade haben wir die Bänke fertiggestellt. Augenblicklich wird der Altar zusammengefügt. Wir haben alle Hände voll zu tun, um bis zu unserem Einweihungstermin am 7. April fertig zu werden. Gott sei Dank, sind wir mit den Innenarbeiten nicht so sehr vom Wetter abhängig. Dafür machen uns immer wieder längere Stromausfälle zu schaffen, weil wir dann keine Maschinen einsetzen können. Bei uns im Wahgital toben in der immer noch andauernden Regenzeit wilde Stürme mit sintflutartigen Wolkenbrüchen und
heftige Gewitter. Dies führt regelmäßig dazu, dass irgendwo in der Gegend Bäume auf Stromleitungen geworfen werden oder durch Überflutungen Kurzschlüsse entstehen. Letzte Woche trat, nicht weit von hier, ein 19jähriger Student aus Versehen barfuss auf eine umgeworfene Stromleitung und wurde getötet, sein Begleiter, der Gummistiefel trug, kam mit dem Schrecken davon.
Aber nicht nur bei uns geht es turbulent zu. Das ganze Land ist irgendwie aufgewühlt. Zwar haben die Wahlen im vergangenen Sommer zu einer neuen und wie es scheint, auch stabilen Regierung geführt. Aber noch immer beschäftigen sich die Gerichte serienmäßig mit Wahlanfechtungsverfahren, weil die Unterlegenen den Gewählten haufenweise Betrugs - und Bestechungsvorwürfe nachweisen wollen, die sie mit Sicherheit im selben Maße begangen haben, oder den Wahlgremien oder Sicherheitskräften Manipulationen vorwerfen. Viele Anklagen werden abgewiesen, aber oft genug kommt es zu langen Gerichtsverfahren. Das lähmt natürlich die politische Arbeit, weil viele MPs, die z.T. inzwischen hohe Ministerämter bekleiden, sich ihrer politischen Zukunft noch nicht sicher sein können. In vielen Provinzen und Wahlbezirken hat ein Generationswechsel stattgefunden. Doch kaum einer der Alten räumt freiwillig seinen Posten. Amtssitz, Dienstwohnung ect., Dienstfahrzeuge und komplette Büroeinrichtungen werden mitgenommen. Sogar Straßenbaumaschinen ect. werden vor den Nachfolgern „sichergestellt". Aber auch die Neugewählten lassen ihre Provinzen und Wahlbezirke sehr bald im Stich. So beklagte ein Leitartikel unlängst, dass über 90 % der Abgeordneten und Gouverneure ihren festen Wohnsitz nicht mehr zuhause haben, sondern das süße Leben in der Hauptstadt Pt. Moresby genießen, von wo aus sie schnell mal ein Wochenende oder auch länger in Australien oder in Singapur oder Manilla verbringen können. Was daheim los ist oder was nötig wäre, verliert man so bald aus den Augen, vor allem die Realität. So ließt man andauernd von hehren Träumen und Wünschen für die zukünftige Entwicklung des Landes. Heute ist von einem Eisenbahnnetz zu hören, das alle Provinzen verbinden soll, um damit alle Transportprobleme für die Bevölkerung zu lösen. In der Woche darauf werden vierspurige Schnellstraßen in alle Landesteile geplant. In Wirklichkeit bricht in jeder Regenzeit - so auch jetzt - der einzige Highway ins Landesinnere mal da mal dort ab, sodass die Hochlandregionen tage- oder wochenlang von jeder Versorgung abgeschnitten sind. Heute wird gemeldet, dass die einzige Straßenverbindung nach Madang für Wochen ausfällt, weil nach einem Dammbruch eine Eisenbrücke vom Hochwasser weggeschwemmt worden ist. Augenblicklich sind wieder einmal die Ausländer die Sündenböcke für die ausbleibende Entwicklung. Denn sie besitzen zu fast 90% die Wirtschafts- und Handelsbetriebe, Werkstätten und Geschäfte, vor allem die Festlandasiaten aus Korea Malaysia, Indonesien und den Philippinen. Immer lauter werden die Rufe nach Lizensentzügen oder Enteignungen. Dabei sind sie diejenigen, die die Räder wenigstens so laufen lassen, wie es eben hier geht. Ohne sie würde die Wirtschaft zusammenbrechen. Landraub der ausländischen Firmen und Unternehmungen, die sich um die Rohstoffwirtschaft überall, vor allem in den Städten ansiedeln, werden zunehmend aggressiv beklagt. Die einheimische Bevölkerung samt der Führungselite sind sichtlich überrollt und total überfordert, mit dem, was sich in ihrem Land abspielt.
Einfach ist es wahrlich nicht hier zu leben und zu arbeiten, aber aufregend und spannend allemal. Und dabei geht es uns merkwürdigerweise wirklich gut und wir sind immer noch gerne dabei.

Liebe Grüße und Wünsche an Euch! Eure Leni und Horst