Wort für die Woche - von Pfrin. Rathje

„Ich drück dir die Daumen!“, sage ich zu Lisa. Lisa steht am Fahrradständer und macht sich auf dem Weg zu ihrer Abiturprüfung. Sie runzelt die Stirn und schnauzt mich an: „Was heißt denn das? Du drückst mir die Daumen?“  Bei Lisa liegen die Nerven blank. Homeschooling, selbstständig arbeiten ohne Klassengemeinschaft, Lerngruppe per Videokonferenz - das war hart für sie. Richtig erleichtert war sie, als die Abiturvorbereitung wieder analog in der Schule stattfand. 
Lisas Reaktion hat mich nachdenklich zurückgelassen.

„Ich drück dir die Daumen.“- sage ich das so dahin und bin im nächsten Moment  mit den Gedanken woanders. Oder meine ich: „Ich denk an dich, während du in deiner Prüfung schwitzt.“ Als Pfarrerin sage ich oft:  „Ich bete für Sie.“ Sagt der Satz mehr aus?

Im Nachgang stimme ich Lisa zu. Es ist eine Floskel, wenn jemand  sagt  „Ich drücke dir die Daumen.“. Es kann alles oder nichts heißen. Wenn dagegen jemand sagt, „ich bete für dich“, drückt es noch mehr aus: „Ich bete für dich in deiner schwierigen Situation, damit du nicht alleine bist. Gott ist bei dir und ich denke ganz fest an dich und ich bitte Gott um seine Unterstützung für dich.“

Der letzte Sonntag hatte das Motto Rogate-Betet. Dieser Sonntag erinnert uns daran, dass wir Christen ein wunderbares Geschenk haben. Das Gebet. In den letzten Wochen standen unsere Kirchentüren offen. In vielen Gemeinden gab es die Möglichkeit sein Gebet offen in ein Büchlein zu schreiben. Ich war erstaunt, wie viele Menschen dieses Angebot in der Corona-Pandemie genutzt haben. Lehrt Not tatsächlich beten, wie der Volksmund sagt? Mein Eindruck ist, dass viele Menschen das Gebet als Kraftquelle neu entdeckt haben. Ich kann meinen ganzen seelischen Schrott, alles was mich belastet und mir Sorgen macht, bei Gott abladen. Genauso was mich freut. Von Dietrich Bonhoeffer stammt dieses wunderschöne Zitat: „Nicht alle unsere Wünsche, aber alle seine Verheißungen erfüllt Gott.“

Mareike Rathje, Pfarrerin im Schwarzacher Becken und Weininsel

 

erschienen am 18.5.2020 in: Mainpost Kitzingen