„Das war eine richtige Fastenzeit!“, meinte neulich meine 8 jährige Nichte zu mir am Telefon. „Wie meinst du das?“, frage ich sie. „Man merkt jetzt, was wirklich wichtig ist im Leben. Unterricht zum Beispiel. Früher fand ich die Schule doof. Hausaufgaben sowieso. Aber jetzt fehlt sie mir richtig.“ Leise flüstert sie ins Telefon. „Mama gibt sich alle Mühe beim Hausaufgaben erklären. Aber das kann meine Lehrerin viel besser.“
So wie meine Nichte geht es gerade zahlreichen Menschen. Die vielen Einschränkungen des öffentlichen Lebens, kein Gottesdienst oder Besuch sind ein harter Einschnitt. In Seelsorgegesprächen am Telefon erfahre ich, wie viel die Situation meinen Mitmenschen abverlangt. Da ist die ältere Dame, die schwer krank ist und sich nach der Nähe ihrer Lieben sehnt. Ihre Familie schützt sie, indem sie auf genau diesen körperlichen Kontakt verzichten. Darunter leidet sie.
Gerade in Krisenzeiten, wenn es einem schlecht geht, tut es gut, sich auf all das Schöne und Gute zu konzentrieren. Statt auf das Negative zu schauen, sich zu fragen, was macht das Leben reicher? Bewusst wahrnehmen, welche kostbaren Dinge es sind, die den grauen Alltag bunter machen. Noch nie habe ich so bewusst das Obstblütenmeer wie in diesen Tagen miterlebt. Ich freue mich an der Sonne, dem deutlich reduzierten Verkehrslärm und dem fröhlichen Vogelgesang. Ganz passend fand ich dieses Jahr die Fastenaktion der Evangelischen Kirche Deutschland. Das Motto lautete Zuversicht. Sieben Wochen ohne Pessimismus. Wie wichtig ist es in der aktuellen Situation die Zuversicht nicht zu verlieren. Mich begleitet in diesen Tagen der Bibelvers aus 2. Timotheus 1,7: Denn Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit. Genau diese Kraft der Liebe und der Besonnenheit wünsche ich Ihnen. Und was macht ihr Leben in diesen Tagen reicher?
Pfarrerin Mareike Rathje aus Schwarzach am Main
Erschienen am 20.4.20 in: Mainpost Kitzingen