„Blackberry und Betelnuss“
Gäste aus Papua-Neuguinea diskutieren über Kirchen und Ökumene im Spannungsfeld zwischen Tradition und Moderne
Ein erstmals vom Internationalen Katholischen Missionswerk missio, Mission EineWelt, dem Centrum für Partnerschaft, Entwicklung und Missio der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern und der Pazifik-Informationsstelle organisierte ökumenische Studientag „Blackberry und Betelnuss“ stand ganz im Zeichen der Ökumene. Die von missio anlässlich des Weltmissionssonntages eingeladenen katholischen Gäste trafen auf Mitarbeiter der Evangelisch-Lutherischen Kirche von Papua-Neuguinea, hinzu gesellten sich in Deutschland lebende Neuguineer, Mitglieder von Partnerschaftsgruppen aus ganz Bayern und Eine-Welt-Engagierte beider Konfessionen.
Die Vorträge der Referentinnen und Referenten gaben dabei Einblicke in die Geschichte und Gegenwart des seit 1975 unabhängigen Staates Papua-Neuguinea. So erläuterte Bischof Rochus Josef Tatamai aus der Diözese Bereina westlich der Hauptstadt Port Moresby die Anfänge der katholischen Missionsarbeit in „seiner“ Diözese. Mit den Missionaren seien das Schul- und Gesundheitswesen in die abgelegene Bergregion gekommen. Noch heute arbeiteten Angehörige des katholischen Ordens „Missionare vom Heiligsten Herzen Jesu“ (MSC) als Pastoren, Sozialarbeiter, Krankenschwestern und Hebammen Dienst in dem infrastrukturell nicht erschlossenen Gebiet. Bischof Tatamai betonte die traditionelle Bedeutung der Familie in Papua-Neuguinea, das Eingebundensein des Individuums in die Großfamilie und die gegenseitige Unterstützung. Wie wichtig Familienverbände und gegenseitige Solidarität auch über Clangrenzen hinweg seien, hätten die frühen Missionare erst lernen müssen. Heute sei es ganz selbstverständlich, dass er und seine KollegInnen sich zu Fuß zu ihren weit verstreut lebenden Gemeindemitgliedern aufmachten, um in ihren Familien Zeit zu verbringen und voneinander zu lernen. Begleitet wird Bischof Tatamai übrigens bei diesen Buschwanderungen stets von einem Aufnahmegerät. Die unterwegs aufgenommenen Predigten und Pastoralgespräche schneidet der Bischof zu Hause in seinem Büro zusammen und sendet sie täglich über seinen eigenen Radiosender bis in die entlegenen Dörfer seiner Diözese. So hält der Bischof auch ohne persönliche Präsenz täglich Kontakt zu seiner Gemeinde und zeigt Offenheit und Gesprächsbereitschaft für die Sorgen und Nöte seiner Gemeindemitglieder.
Wie wichtig das persönliche Gespräch ist, unterstrich auch Priscilla Winfrey in ihrem Beitrag. Die 32-jährige studierte Journalistin leitet die Abteilung für Publikationen am ökumenischen „Melanesian Institute“ in Goroka in der Hochlandregion von Papua-Neuguinea. Die junge, im Ausland ausgebildete Katholikin, beschrieb eindrucksvoll ihre Biographie als eine von vier Schwestern einer ökumenischen Familie, der es gelang, trotz der von Männern dominierten Gesellschaft eine solide Ausbildung zu absolvieren und in der akademischen Welt Fuß zu fassen. Leider, so Winfrey, sei das Bildungsniveau wegen des Mangels an Schulpflicht sehr niedrig. Vor allem die jüngeren Menschen könnten heute keinen grammatikalische korrekten Satz mehr formulieren, da sie nur noch kurze Nachrichten über das allseits verfügbare Mobiltelefon verschickten und nicht mehr gelernt hätten, außerhalb dieser Kurzform zu kommunizieren.
Dem entgegenwirken möchte Liz Konga, die Direktorin des ökumenischen Verlages „Word Publishing“ in Port Moresby. Konga ist Chefredakteurin und Herausgeberin der einzigen Wochenzeitung in der Lingua Franca von Papua-Neuguinea, dem „Tok Pisin“. Für den „Wantok“ lässt sie nur die an Universitäten ausgebildeten Redakteure und Redakteurinnen schreiben, um die Qualität der Artikel aus den Bereichen Wirtschaft, regionale Politik, Sport, Gesundheit, Bildung und Frauen zu wahren. Konga versteht sich und ihr Team durchaus als „Meinungsmacher“, denn gerade die kritischen Kolumnen und Kommentare im „Wantok“ sorgen für Gesprächsstoff. Konga ist stolz auf die wöchentlich 28 bis 32 Seiten der Zeitung, die in einer Auflage von 10.000 Exemplaren landesweit erscheint und auch Abonnenten im Ausland hat. „Wir machen keine Sensationspresse“, so Konga, „sondern berichten sachlich und objektiv, auch über Missstände in unserem Land. Kritik fürchte ich nicht“, so die couragierte Direktorin, die bereits seit 15 Jahren die Geschicke von „Word Publishing“ leistet.
Auf ein zweites ökumenisches Erfolgsprojekt ging der evangelisch-lutherische Pfarrer Jack Urame ein. Er ist Direktor des „Melanesian Institutes“, einer Forschungsstätte im Hochland. Hier arbeiten Wissenschaftler verschiedener Konfessionen zu Zeitthemen, wie etwa Zauberei oder HIV/Aids. Das in den späten 1960er Jahren gegründete Institut soll vor allem den ökumenischen Dialog fördern, ein schwieriges Unterfangen in einem Land, in dem sich zu den vier Hauptkirchen noch über 250 kirchliche Splittergruppen aus der charismatischen und pfingstlerischen Bewegung gesellen. Ähnlich wie Bischof Tatamai betonte Urame wie wichtig es sei, im Gespräch zu bleiben, über alle Konfessionen und kulturellen Hintergründe hinweg. Mit einer erneuten Wertschätzung des Evangeliums und der biblischen Werte könne dies gelingen, so Urame, der mit seiner Familie von 2001 bis 2005 als Austauschpfarrer in Auhausen (Dekanat Oettingen) lebte.
Bei der abschließenden Podiumsdiskussion stimmten die Gäste aus Papua-Neuguinea mit dem Fazit von Bischof Tatamai überein: Jeder und jede sei zunächst einmal ein menschliches Wesen, dann der Bürger eines bestimmten Staates, aber vor allem ein Christ. Diese Gemeinschaft aller Gläubigen, das „one in Christ“ gelte es bei aller Unterschiedlichkeit der Lebens- und Arbeitswelten zu bedenken.
Julia Ratzmann
eingestellt am 29. Oktober 2012